Auch nach intensivem Nachdenken ist mir noch nicht klar, wie durch Abblendlicht bei normalen Tages-Sichtverhältnissen und Fahrern mit normaler Aufmerksamkeit und Sehkraft ein flächendeckender Sicherheitsgewinn entstehen kann.
Das menschliche Auge reagiert sehr fein auf Bewegungen von Objekten vor dem Hintergrund. Z.B. ein wegkullerndes Schräubchen wird auch ohne eigene Beleuchtung selbst auf einem gemusterten Teppichboden aus dem Augenwinkel spontan erkannt. Fällt der Blick aber erst darauf, wenn es schon still liegt, dann wird es viel leichter übersehen.
Folgerung: Auch im Straßenverkehr werden nichtleuchtende bewegte = fahrende Objekte zuverlässig erkannt, sobald sie sich im Gesichtsfeld befinden und es hell genug ist.
Scheinbare Ausnahme: eine schnurgerade Straße, auf der sich der fahrende Gegenverkehr kaum vor dem Hintergrund verschiebt, und sein Umriß entsprechend langsam größer wird.
Aber je näher der Gegenverkehr kommt, umso schneller wächst sein Umriß. Und wer die Straße mit der normalen Aufmerksamkeit beobachtet und über eine normale Sehkraft verfügt, wird ihn tagsüber auch ohne Beleuchtung locker rechtzeitig erkennen.
Was heißt aber „rechtzeitig“?
Wann ist ein Fahrzeug im Gegenverkehr wirklich gefährlich?
Antwort:
Dann, wenn beim plötzlichen Wechsel auf die eigene Fahrbahnseite nur durch eine Blitzreaktion ein Unfall verhindert werden kann.
Dafür braucht ein aufmerksamer Fahrer etwa 1 sec Reaktionszeit und 1 sec für ein Ausweichmanöver.
Bei weniger (Zeit-)Abstand im Augenblick der Gefahrenwahrnehmung ist der Crash praktisch unvermeidbar.
Wie groß ist also der Abstand von 2 Wagen, die mit je 100 km/h aufeinander zu fahren, 2 sec vor einer möglichen Kollision?
Die Differenzgeschwindigkeit beträgt 200 km/h = 55,6 m/sec.
2 Sekunden vor der Begegnung beträgt der Abstand also etwa 110 Meter oder rund 1,5 Landstraßen-Leitpfostenabstände.
Wenn der Entgegenkommende später auf Eure Seite zieht, knallt es sowieso – egal ob er mit Licht fährt oder nicht!
Wer aber nicht in der Lage ist, unbeleuchteten Gegenverkehr bei Tag und normaler Sicht auf sagen wir ca. 3 Leitpfostenabständen zu erkennen (dann hat er selbst bei Tempo 100 beider Wagen weitere 2 sec Zeit, um ihn zu beobachten und sich auf ein evtl. Ausweichmanöver vorzubereiten), der sollte sofort zum Augenarzt!
Was habt Ihr eigentlich davon, Gegenverkehr mit Beleuchtung schon in 1 km Entfernung zu erkennen, anstatt vielleicht in 400 m Entfernung ohne Beleuchtung?
Was macht Ihr mit der gewonnen Zeit, in der Ihr früher wisst „da kommt mir einer entgegen“, obwohl er noch viel zu weit weg ist, um aktuell gefährlich zu sein?
Tagsüber unnötig eingeschaltetes Licht kann sogar gefährlich sein, wenn das Licht des Entgegenkommenden blendet und man deswegen einen Wagen (ohne Licht) dicht hinter dem Blender übersieht, z.B. beim Linksabbiegen!
Auch ohne Blendung fällt in einer beleuchteten Gegenverkehrs-Kette jeder unbeleuchteter Wagen natürlich weniger auf. Man glaubt dann womöglich, in einer Lichterketten-Lücke nach links abbiegen (oder überholen) zu können, und schon knallt es.
Anders gesagt: Sobald das Volk dank 24 Stunden Lichtpflicht darauf geeicht ist, dass nur leuchtende Objekte eine Gefahr darstellen können, wird bei Zeitdruck und / oder dichtem Verkehr reflexartig drauflosgefahren, sobald sich nichts leuchtendes mehr nähert.
Z.B. Wildwechsel, viele Mountainbiker, und auch ausländische Fahrzeuge, deren Fahrer den Lichtbefehl nicht kennen, sind aber unbeleuchtet . . .
Während der Dämmerung oder bei Nebel funktioniert natürlich die spontane Erkennung bewegter Objekte auch bei normaler Aufmerksamkeit erst auf kürzere Distanz als bei vollem Tageslicht.
Erst wenn die aber Erkennungsdistanz in die Nähe der beschriebenen 2 sec-Grenze rutscht (oder es noch dunkler oder nebliger ist), bringt eingeschaltetes Licht IMO einen wirklichen, pauschalen Sicherheitsgewinn durch Gesehenwerden.
Während der hellen Tageszeit gibt es solchen Nebel vielleicht an 30 von 365 Tagen im Jahr.
Wenn an den anderen ca. 90% klaren Tagen durch tagsüber eingeschaltetes Licht Unfälle verhindert werden, dann kann das IMO nur klappen, wenn halbblinde, halb schlafende, zugedröhnte oder stark abgelenkte Crashkandidaten (kurz: Deppen) im Spiel sind.
Wer regelmäßig so rumfährt, wird früher oder später ohnehin einen Unfall verursachen, dass heißt, sein Crash wird nur auf später verschoben.
Nur Unfälle von Leuten, die einmal
ausnahmsweise müde oder abgelenkt fahren, werden sich tagsüber durch beleuchteten Gegenverkehr wirklich verhindern lassen - wenn noch eine ordentliche Portion Glück mit im Spiel ist und wirklich das eingeschaltete Licht über die Frage „Unfall ja – nein“ entscheidet.
Aber natürlich ist jeder einzelne verhinderte Unfall es wert, dass alleine in D jedes Jahr Milliarden Liter Sprit zusätzlich verballert werden . . .
Wenn meine Berechnung stimmt, wäre ich übrigens pro Jahr mit etwa 16 Litern Diesel beteiligt, was meinen Durchschnittsverbrauch um ca. 3% erhöhen würde, zuzüglich der häufigeren Lampenwechsel, wenn sie ausgebrannt sind und kaputtgehen.
Na ja, bevor sich das deutsche Autovolk Gedanken um befohlenen Mehrverbrauch unter 10% macht, muß der Liter wohl mindestens 10 Euro kosten – wir habens ja . . .
Ist es übrigens nicht lächerlich, wenn manche Fahrer selbst bei gleißendem Sonnenschein mit Licht unterwegs sind? Ich sehe dann nur bei genauem Hinsgucken (wenn mich z.B. der Wagen näher interessiert) das eingeschaltete Licht.
Solche Leute kann ich bisher wenigstens als mögliche Spinner erkennen, und mich vorsichtshalber auf weitere Gags wie grundlose Vollbremsungen, Vorfahrtverletzungen usw. einstellen.
Wenn aber alle ständig mit Licht rumfahren müssen, ists vorbei mit solchen Warnzeichen . . . ein weiterer Schritt zur systematischen Entmündigung und Gleichschaltung der Autofahrer.
Wer mich nun in der Luft zerreißen will, der möge bitte auch auf meine fett hervorgehobenen Kernaussagen eingehen
